
Ein Gespräch mit dem Galeristen Thaddaeus Ropac für Prestige Magazin Frühjahrsausgabe 2021
Die Museen mögen geschlossen sein. Seine Pariser Galerien sind offen, und die Massen strömen. Denn bei Thaddaeus Ropac sieht man sie, die grossen Künstler der Gegenwart. Ganze 700 Besucher kamen am Wochenende vor unserem Gespräch in die Galerie im Pariser Marais, um dort Kunstwerke des amerikanischen Künstlers Tom Sachs anzuschauen.
Seinen Platz im Zentrum des Pariser Kunstlebens hat sich Thaddaeus Ropac mit seiner bestimmten und doch freundlich-eleganten Art erarbeitet. Erst im letzten Jahr hat der Galerist das 30 jährige Bestehen seiner Pariser Niederlassung gefeiert. In dieser Zeit hat der Österreicher den internationalen Kunstmarkt beeinflusst und mitgestaltet, nicht zuletzt mit der Eröffnung seiner Galerien im Pariser Vorort Pantin und der Londoner Dependance. Brexit zum Trotz.
Thaddaeus Ropac ist Steinbock, und so schnell lässt er sich nicht von einer Krise abschrecken, das hat er in den letzten 37 Jahren bewiesen.
- 1983 haben Sie Ihre erste Galerie in Salzburg eröffnet. Wie kamen Sie eigentlich zur Kunst, Herr Ropac ?
Ich wollte zunächst eigentlich selbst Künstler werden. Joseph Beuys war mein großer Held, und seinetwegen bin ich aus Österreich nach Düsseldorf und Berlin gegangen. Aber ich habe sehr schnell gemerkt, dass mir das Talent fehlt. Auf der documenta in Kassel wurde ich mit den besten Künstlern, die es damals gab, konfrontiert. Und da war mir klar, dass ich meine Berufung woanders suchen muss. Ich wollte den Künstlern aber weiterhin nahe sein, die Kunstwelt nicht verlassen. Zu der Zeit habe ich mit Freunden aus Österreich gesprochen, die aus meinem Jahrgang stammten und alle frisch ins Berufsleben einstiegen. Da fiel mir auf, wie wenig meine Generation mit zeitgenössischer Kunst vertraut war. So entstand die Idee : ich gehe nach Österreich und mache dort eine Galerie auf, um diese Künstler zu zeigen. Damals gab es einen Spielraum dafür. - Zu Ihren Anfängen als Galerist habe ich einmal eine Geschichte gehört: Sie sollen in Beuys’ Atelier in seiner Abwesenheit ein Kunstwerk verkauft haben. Und er habe dann gesagt : « Du musst Galerist werden !».
Nein, das ist nicht richtig. Ich werde auch immer wieder fälschlicherweise als Assistent von Beuys beschrieben. Das stimmt nicht. Als ich 21 Jahre alt war, habe ich ein Praktikum bei Beuys gemacht. Nein, das ist nicht richtig. Ich werde auch immer wieder fälschlicherweise als Assistent von Beuys beschrieben. Das stimmt nicht. Als ich 21 Jahre alt war, habe ich ein Praktikum bei Beuys gemacht. Das kam so: ich habe damals eine Gastvorlesung von ihm in Wien besucht. Da die documenta damals Freiwillige suchte, konnte ich Beuys im Sommer 1982 auf der documenta in Kassel erleben. Einige Wochen später bin ich Beuys nach Berlin gefolgt, wo ich als einer von vielen Praktikanten half, seine Werke für die Gruppenausstellung “Zeitgeist” im Martin-Gropius-Bau zu installieren. Ich habe aber nie in seinem Atelier gearbeitet und war damals viel zu unerfahren, um irgendetwas verkaufen zu können. - Was war denn das erste Kunstwerk, das Sie verkauft haben ?
(Lacht) Eine Beuys Zeichnung. Das war 1983, sie hat damals 2000 Mark gekostet. Ich habe sie einem Freund verkauft, der sie abgezahlt hat. Joseph Beys war für mich damals der wichtigste Künstler, dem ich am nächsten stand. Aber ohne dass da eine grosse persönliche Verbindung bestand. Er hat mir die Tür nach Amerika geöffnet.
- Und da haben Sie dann sehr schnell die wichtigsten Künstler wie Warhol und Basquiat kennengelernt. Wie kam es genau dazu?
Das war wie gesagt Beuys. Er hat mir ein Empfehlungsschreiben für Andy Warhol geschrieben. Einfach so, auf eine Serviette. Das war meine “Fahrkarte”. Ich hatte das Glück, dass Warhol es absurderweise interessant fand, dass da jemand aus Österreich kam. Er selbst stammt ja aus der Slowakei, sein echter Name ist Warhola. Der Manager hat mich erstmal abgewimmelt, und das hat Warhol mitgekriegt. Er sagte dann « Let him in », weil er gehört hat, dass ich aus Österreich kam. Das war Zentraleuropa, seine Heimat. Bruno Bischofberger hat dann kurze Zeit später organisiert, dass Warhol für Portraits von Wiener Prominenten nach Österreich kommt. Auf dem Weg dorthin kam er nach Salzburg, und wir haben eine Ausstellung gemacht. Und Basquiat, den Namen hatte ich noch nie gehört! Es war wirklich ein totaler Glücksfall, dass ich in Salzburg so früh (1983) eine Ausstellung mit Jean-Michel Basquiat machen konnte, in dem Jahr, in dem ich eröffnet habe. Und dann kam noch Robert Mapplethorpe dazu. - Dieser Beginn ist ja fast schon ein Omen für die Zukunft …
Ja in gewisser Weise schon. Tragischer Weise starben diese Künstler zu früh, Beuys 1986, Warhol 1987, Basquiat 1988, Mapplethorpe 1989. Beuys ging es nicht gut, da war es nicht ganz so unerwartet. Aber Warhol starb ganz überraschend an einer Gallenoperation. Er dachte, er geht ins Krankenhaus und kommt am nächsten Tag wieder raus. Das war ein Riesenschock, weil wir gerade mitten in einem grossen Projekt steckten, das wir nicht mehr zu Ende führen konnten. Und Basquiat ist mit 28 Jahren gestorben. Am 25. Juli 1988 eröffneten wir seine Ausstellung in der Galerie in Salzburg. Von dort aus ist er dann über Paris nach New York zurückgeflogen. Und am 8. August starb er. Wir haben die letzte Ausstellung von Basquiat zu seinen Lebzeiten eröffnet, und sie lief auch noch, als er gestorben war. Es gab damals diese internationale Aufregung und ich erinnere mich noch, dass Sammler anriefen, die alle Arbeiten haben wollten. Ich war gar nicht darauf vorbereitet. Es war ein Schock, und gleichzeitig ein Teil der Geschichte, die ich ganz persönlich direkt erleben durfte. - Heute geht es mit der Geschichte weiter. Sie vertreten ja viele grosse Künstler, Georg Baselitz, Tony Cragg oder Gilbert&George. Hinter ihrem Schreibtisch hängt ein Bild von Anselm Kiefer, welche Künstler sind für Sie besonders wichtig ?
Auf jeden Fall die deutschen Maler, Anselm Kiefer und Georg Baselitz. Sie haben den Malereibegriff neu definiert, und auch das Galerieprogramme wesentlich geprägt. Es ist bemerkenswert, dass diese Malerei aus Deutschland kam. Dass Deutschland in der Malerei die Latte gelegt hat, mit einer Generation von Malern wie Richter, Polke, Baselitz und Kiefer. Mit Anselm Kiefer und Georg Baselitz verbindet mich eine so lange intensive Zusammenarbeit, ich kann nicht mehr zählen, wie viele Ausstellungen wir über die Jahre gemacht haben.
- Was zeichnet denn ihre Beziehung zu den Künstlern aus, mit denen Sie arbeiten?
Ich glaube das Wichtigste ist Respekt und Vertrauen. Ohne diese beiden wird es nichts. Man muss sich respektieren, als Galerist und Künstler, man muss sich vertrauen. Das ist intensiv, es sind auch Freundschaften, aber man braucht den Abstand, um sich kritisch zu begegnen, dass man als Galerist einen Künstler auf Dinge aufmerksam machen kann. Man nimmt sich Ernst, und geht immer zu neuen Zielen voran. Als Galerist versucht man den künstlerischen Nukleus zu erhalten, dass vieles möglich wird. Der Künstler muss das Vertrauen haben, dass er uns die besten Werke anvertraut, und dass wir den besten Platz dafür schaffen. - Wie funktioniert das denn konkret. Wie sagt man einem Anselm Kiefer: in dem Werk stimmt etwas nicht?
Das erwartet er sogar! Es ist ein offener Dialog, man sieht das Bild ja nicht erst, wenn es fertig ist. Man sieht Serien entstehen. Ich war erst gestern wieder bei Anselm Kiefer, der ja in der Nähe von Paris lebt. Georg Baselitz lebt am Ammersee und in Salzburg. Das schafft auch besondere Nähe zu den Künstlern. Aber es gibt auch Künstler, die diesen Dialog des kritischen Betrachtens nicht wünschen. Gilbert & George beispielsweise wollen das nicht. Sie wollen ein Werk völlig unbeeinflusst schaffen, und präsentieren das fertige, nicht zu beeinflussende Werk. Das muss man respektieren. Hier schauen Sie, das kam mit der Post: das sind die neuesten Werke von Gilbert & George, die wir hier bald zeigen werden. - Welche Herausforderungen bringt denn die Arbeit mit den Künstlern mit sich?
Man hat ständige Probleme zu lösen, und da bin ich meist involviert. Wenn es gut läuft, habe ich weniger damit zu tun. Das können ganz unterschiedliche Probleme sein, Änderungen im persönlichen Lebensfeld, aber natürlich auch Probleme professioneller Natur. Man muss einfach sehr präsent sein. An sich hat sich der Beruf des Galeristen in den letzten 30 Jahren unglaublich verändert. Heutzutage muss man eine viel grössere Infrastruktur anbieten, um Künstler glücklich zu machen. Als ich angefangen habe, hätte ich mir nie gedacht, dass wir einmal mit einem Team von 100 Leuten arbeiten. Aber heute brauchen wir das. Wir haben ein wissenschaftliches Team und ein Content Team. Wir vertreten 65 Künstler und Estates und bei jeder einzelnen Vertretung steckt ein ganzes Team dahinter. Manchmal gibt es tägliche Betreuung, das war früher nicht so. Ein Künstler will erstmal inhaltliche Vertretung, die Webseite, Pressearbeit. Aber auch Begleitung bei jeder Aktivität im Museum, das geht vom Fundraising zum Inhalt, das Aufbereiten der Ateliers. Künstler wollen sich ständig technisch verbessern. Ich erinnere mich noch, als ich angefangen habe, hat man die Faxmaschine entdeckt. Wir sollten uns eine Maschine zulegen. Aber ich sagte „Wir legen uns das erst zu, wenn jeder das hat, damit man das nutzen kann.“ Ich habe damals gar nicht gesehen, was das für eine Möglichkeit bot. Man muss sich mal vorstellen, was sich da getan hat. Heute ist allein unser social media Team mit fünf Leuten jeden Tag beschäftigt, instagram, facebook und twitter zu füttern.
- Gerade Instagram ist in den letzten Jahren als Vitrine für Künstler immer wichtiger geworden. Nutzen Sie selbst die sozialen medien?
Für mich sind das Informationstools, die man nutzt. Man muss sehr neugierig bleiben, und sich Neuem stellen. Wenn man aufhört sich der neuen Kunst zu öffnen, veraltet man schnell. Ich sehe mir vieles an, aber ich habe nicht so viel Zeit für social media. Es wird für mich vorgesiebt, und dann schaue ich selbst. Julia Peyton-Jones leitet einen eigenen Think Tank, um neue Künstler zu finden. Mit dem haben wir in London recherchiert, wie ganz junge Künstler malen. Das lief zwar auch über social media, aber Atelierbesuche sind und bleiben unverzichtbar. Als Ergebnis haben wir einige junge Künstler ins Programm genommen, und manche haben bereits Karriere gemacht: Rachel Jones, Megan Rooney. Ganz junge Künstler, die wir in den Anfängen ihrer Karriere begleiten, und die wir auf diese Art und Weise gefunden haben.
- Sie haben Galerien in Salzburg, Paris und London und vertreten einige der wichtigsten Künstler der Gegenwart. Was treibt Sie heute jeden Tag an?
Die Exzellenz. Das, was wir machen, besser zu machen. Ich sehe bei allem, was wir tun, das was nicht gelingt. Manchmal ist das natürlich ein wenig übertrieben bei mir, aber ich sehe immer den Raum der Verbesserung. Inzwischen habe ich aber gelernt, dass der Weg das Ziel ist. Weil man nie wirklich erreichen wird, was man erreichen will. Es geht um den Weg, und auf dem kann man sich immer verbessern, Stück für Stück.


